Montag, 28. Dezember 2020

Der Tanz auf der Titanic

Silvester oder der Neujahrsabend, wie er im Englischen genannt wird, gibt gerade in diesem Jahr keinen Anlass zum Feiern. Die Welt befindet sich in Quarantäne, fast alle Staaten verbieten die Zusammenkünfte der Menschen. Auch mit Böllern können wir nicht die bösen Geister vertreiben, die uns umlauern. Ich habe ohnehin nie verstanden, warum wir diesen Tag besonders feiern. Unsere Lebenszeit hat sich wieder um ein Jahr verkürzt, wenn wir uns nicht gerade in der Jugend befinden, altert unser Körper ein weiteres Jahr, die Gesundheit lässt nach, und allenfalls erreichen wir eine höhere Ziffer auf dem Stein, der von unserem Leben übrigbleibt. Vielleicht sollen der Alkohol und die Böllerschüsse die dunklen Gedanken vertreiben, die sich in der dunkelsten Jahreszeit so leicht einstellen. - Ich frage mich: Habe ich in diesem Jahr die kurze Zeit genutzt, die mir mein Leben zur Verfügung stellt, habe ich nur an mich gedacht - und wieviel meiner Zeit habe ich für andere aufgewendet? Trage ich etwas zum Erhalt der Schöpfung bei oder verbrauche ich wie die meisten von uns die knappen Ressourcen dieses Erdballs? - Wie kann ich das Ende eines Jahres feiern, das mich meinem Ende und auch dem Ende der Welt einige Schritte näher bringt? So wie die Kapelle auf der Titanic bis zum Untergang aufspielte, bewegen wir uns einige Schritte weiter in Richtung Abgrund, Traumtänzer, blind für das Geschehen um uns. Düstere Gedanken, die so gar nicht in meine positive Grundtendenz passen. Aber gerade in den letzten Tagen des Jahres befallen sie mich und es fällt mir schwer an den Festlichkeiten der Anderen teilzunehmen. Eins aber finde ich gut - die vielen guten Vorsätze, die viele an diesem Tag fassen, mehr Bewegung, weniger essen, weniger Suchtpotential, bewusster leben, vielleicht den Anderen mehr anschauen als bisher, - und schon verbessert sich meine Stimmung. Ich wünsche in diesen Tagen allen, dass sie ihre guten Vorsätze durchhalten und gesund und wohlbehalten durch das nächste Jahr kommen. Vor allem aber, dass wir die kurze Zeit die wir zur Verfügung haben, weise nutzen.

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