Zu den schönsten Reisen gehörten für mich immer Reisen, die
mit einem tiefen Naturerlebnis verbunden waren. Segelreisen durch die Ägäis,
Reisen durch das Amazonasgebiet, durch Sibirien, durch Alaska, die iberischen
Inseln. Oft habe ich dann, voller Begeisterung, auch eine berufliche Tätigkeit
dort entwickelt, wohin es mich gerade zog. Erst später im Leben begriff ich,
dass man nicht in ferne Länder streben muss , um die wirklichen Abenteuer des
Lebens zu entdecken. Wir müssen nicht die Grenzen der Welt erreichen, um das Leben zu entdecken. Wir müssen vielmehr die
Grenzen der Welt überschreiten und die unentdeckten Weiten jenseits der Welt
entdecken, um in die Bereiche vorzudringen, die wirklich interessante Reisen
bieten, die so nahe und doch so ferne
sind. - Meine letzte Reise führte mich über Sao Paulo nach Montevideo. Auf dem
Rückflug zwang mich ein Infarkt eine Klinik aufzusuchen. Dort begann eine
Reise, die ein neues Erlebnis war, eine Reise zu meinem Herzen. Auf den Flüssen
des Lebens begleitete ich eine Sonde, die fast bis zum Zentrum meines Lebens
vordrang. Auf dem Weg traf sie auf ein Hindernis, dass den Zufluss zum Leben
versperrte. Wie symbolhaft dachte ich, wie oft war ich vor solchen Hindernissen,
und welche Dankbarkeit habe ich dem Leben immer gegenüber verspürt, das mir
half, diese Widerstände zu überwinden, und
wieder zurückzufinden zum Leben, wieder eins
zu werden mit meinem Sein. - Als der Weg wieder frei wurde und die Ströme des
Lebens mein Herz erreichten, nahm ich mir vor,
diese innere Reise häufiger vorzunehmen, nicht zu warten, bis ein
Infarkt mich zu dieser Reise zwingen
würde. Wie viel einfacher, wenn ich, auf den Schwingen meines Atems oder auf den
Strömen der inneren Flüsse meines Körpers, die Reise in mein Selbst antrete. - So trete
ich auch diesen Morgen, in der Dämmerung des beginnenden Tages, die Reise in
mich an, in die Weiten meines Energiekörpers, in die unendlichen Räume der
Atome und Moleküle, und spüre die Kraft
in mir, die alles ordnet, belebt, zurücknimmt und neu schafft, und ich
realisiere, dass ich Teil dieser Kraft bin, noch niemals von ihr getrennt war,
wie mir mein kleiner Verstand oft weiszumachen versuchte. - Die Reisen in die Tiefe meines Seins gehören
zu den schönsten und interessantesten Reisen, die ich mache. Sie bringen mich
zu Erlebnissen, die nicht einmal die Erforscher des Weltraums haben, die in ihren Raumschiffen, ferne Gefilde
anstreben. Die gleichen Reisen mache ich
in die Tiefe meines Seins, erfahre die
unendlichen Räume und die Stille, und spüre
die unvorstellbaren Möglichkeiten, die die sich in der Leere meiner inneren Räume
verbergen, und auf ihre Entdeckung warten. Welch wunderbare Erlebnisse habe ich auf meinen
Reisen. Welche Geschenke des Lebens auf unserem Weg, wenn wir lernen sie zu
sehen.
Sonntag, 28. Mai 2023
Meine interessanten Reisen
Samstag, 27. Mai 2023
Die Tyrannei der Zeit
Die Geschichte der Welt und des Kosmos wurde nie in Zeit gemessen. Erst mit dem Aufkommen des Menschen wurde
eine Masseinheit für Zeit entwickelt. Anfangs wurden noch in Sommern oder
Ernten gemessen, in Jahreszyklen oder Herrschaftsperioden. Vor der Geschichte
des Planeten nimmt sich das wie eine Sekunde aus. Zeit?
Was ist das? Würden uns die Tiere
und Pflanzen fragen. Und der Stein würde uns ratlos anblicken und könnte mit Zeit
nichts anfangen. Nur dem Menschen blieb es vorbehalten, sich unter das Joch der
Zeit zu zwängen. Alles wird in Zeitzyklen gemessen. Kindheit, Schule, Studium,
Beruf. Fällt man aus dem vorgeschriebenen Zyklus, dann ist man im Leben
gescheitert. - Da gefällt es mir schon besser das Leben in Kindheit,
Ausbildung, Paarungszeit zu messen, das Berufsleben, das vielen so wichtig ist,
kann man oft nur als verlorene Zeit sehen, es ist die Zeit einer aufgezwungenen
Tyrannei unseres wirtschaftlichen Systems, eigentlich eine Zeit von Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Aber
die falsche Einordung im Kopf des
Menschen, misst dieser Zeit eine Bedeutung zu, die sie meistens nicht hat. Sie kann für die persönliche Entwicklung des
Menschen von Bedeutung sein, aber spätestens bei unserer Pensionierung merken
wir, ob wir die Zeit unseres Berufslebens auch wirklich als Berufung verstanden
haben. - Wenn wir die besten Jahre
hinter uns haben, kommt das Alter. Gering geachtet von der Welt. Meistens
beginnen die besten Jahre erst jetzt. Wir erkennen endlich, dass wir ein Opfer
der Zeit waren, ausgebeutet vom System Zeit. Wir können uns erst jetzt auf uns selbst zurückbesinnen, uns daran
erinnern, wer wir auch sind, denn jetzt
haben wir alle Zeit von der Welt. Das Alter ist nur dann die beste Zeit in unserem Leben, wenn wir
erkennen, dass wir ein Opfer des Systems
Zeit waren, wenn wir nicht zurückblicken auf die angeblich so erfolgreichen Jahre, sondern zu leben beginnen. Uns steht im Alter die Zeit zur Verfügung, zu
begreifen, was Leben ist. Wenn wir noch bis vor kurzem in der Knechtschaft der
Zeit standen, können wir jetzt zum Leben
erwachen. - Wenn wir aber den vergangenen Zeiten
nachtrauern, dann haben wir nicht das Joch der Zeit abgeschüttelt. – Zum Leben
erwachen heisst sich der inneren Zeit zuzuwenden, uns aus den Fängen der täglichen Routinen zu befreien,
dorthin zu blicken, wo wir wirklich zu Hause
sind , in unser eigentliches Sein. Unser Körper mag alt und unansehnlich
geworden sein. Er bleibt aber ein Wunderwerk der Schöpfung, er verdient es jeden Morgen von
unserem Bewusstsein geflutet zu werden. Er dankt es uns auch in späten Jahren
mit seiner Treue und trägt uns durch unsere Tage. Jetzt haben wir auch
die Zeit, unsere Gedanken zu disziplinieren und Raum in unserem Kopf zu schaffen, die
Schönheit der Natur und der gesamten Schöpfung in uns hereinzulassen. Wir haben
uns aus der Tyrannei der Zeit befreit. Wir begreifen endlich was leben heisst.
Sonntag, 21. Mai 2023
Wenn das Schicksal an uns herantritt
Wie oft habe ich mich schon mit dem menschlichen Schicksal
beschäftigt. Auf dem Weg aus der Klinik nach Hause, erhalte ich einen Anruf,
der mich vom Tod eines russischen Freundes informiert. Wir haben uns mit 15
Jahren in England auf dem Internat kennen gelernt, und zuletzt vor 30 Jahren in
Moskau gesehen. Er hat zur gleichen Zeit, wie ich selbst, einen Herzinfarkt bekommen und hat, wie ich, den Infarkt wahrscheinlich längere Zeit
ignoriert. Warum hat das Schicksal so unterschiedliche Wege genommen? Eine Frage,
die ich mir oft gestellt habe, wie die vielen Beiträge zeigen, wenn ich das
Wort Schicksal in die Maske meines Blogs eingebe. - Bei den griechischen
Philosophen spannen die Parzen unseren
Lebensfaden, das Schicksal lag in den Händen fremder Mächte. - Andere
Philosophen glauben an die Beeinflussung des Schicksals durch den Menschen. - Wie
immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Wir sind in unser Schicksal
hineingeboren, das durch die Welt bestimmt wird, und wir beeinflussen unser
Schicksal durch unser Tun. Teils können wir unser Schicksal nicht ändern, und
teils gestalten wir unser Schicksal durch unser Handeln. Wir können unser
Schicksal beeinflussen, nicht in dem wir uns an unser Leben klammern, das wir
mit der Welt verbunden sehen, sondern indem wir uns dem Leben öffnen, über die
Welt hinausblicken lernen, zu dem werden, der wir auch sind, Teil der Ganzheit, die alles erfüllt, Teil des Lebens. Wenn wir uns in der Ganzheit befinden, dann
macht es keinen Unterschied, ob wir uns noch in der Welt befinden, oder
jenseits der Welt. - Das Schicksal verliert seinen Schrecken, wenn
wir den Parzen den Faden aus den Händen
nehmen, wir machen uns zum Meister unseres eigenen Schicksals. Wir erkennen,
dass Leben etwas Unvergängliches ist, nicht der Welt in ihrer Endlichkeit
unterworfen, und doch ganz von dieser Welt. Leben ist kein Geschenk, das uns
gegeben wird. Wir sind das Leben, Teil des Lebens, Leben das Form annimmt und
Leben das seine Form ablegt, im ewigen Wandel. Schicksal, wo bleibt Dein
Schrecken, wenn wir unsere Form ändern, - wir kehren nur dorthin zurück, woher
wir gekommen sind.
Samstag, 20. Mai 2023
Eine Welt der Wunder
Als ein Wunder bezeichnen wir, wenn ein Ereignis nicht in
die Denkmuster des menschlichen Verstandes passt. Wir sind dann schnell dabei, Wunder zu
vermuten, wo keine sind. In den alten
Religionen werden Vorkommnisse geschildert, die als Wunder bezeichnet werden, meistens
aber nur Irrtümer des menschlichen Verstandes sind: Kranke werden gesund, Tote werden auferweckt,
alles keine Wunder, denn die Rede ist von der Krankheit des menschlichen
Geistes, der plötzlich erkennt, wer er wirklich ist und beim Erwecken der Toten
handelt es sich um das Erwachen des Menschen aus einem todesähnlichen Schlaf, in
dem er sich befindet solange er sich vom Göttlichen getrennt sieht. Es ist
eher ein Wunder, wenn der Mensch
vergisst woher er kommt, und welche übergeordnete Intelligenz ihn erschaffen
hat. Es ist ein Wunder, wenn der Mensch
glaubt, glauben zu müssen, um seine wahre Natur im Göttlichen zu erkennen. Ein Wunder
ist die Wahrnehmung des Menschen von sich selbst, die nur
eine Täuschung seiner Sinne ist. Es ist
ein Wunder, dass der Mensch glaubt, sein Verstand wäre das Mass aller Dinge,
wobei jedes Ding schon in sich ein Wunder ist, geschaffen von einer Intelligenz,
die jenseits unseres Verstandes liegt.
Ein Wunder ist es, dass der Mensch glaubt sterben zu müssen, obwohl er
weiss, dass seine Energie, aus der er besteht, nicht verloren gehen kann, und
erst recht nicht der leere Raum vergänglich ist, in dem sich seine Energie bewegt. Und es ist
ein Wunder, dass der Mensch glaubt, die Intelligenz, die alles schafft
und bewegt, könnte mit seinem physischen Ende verloren gehen. Es ist
ein Wunder, dass der Mensch versucht, das Nichtfassbare fassbar zu machen, und
die ihm innewohnende Intelligenz, die ihn erfüllt und ihn geschaffen hat, nicht
wahrnehmen will. – Die Wunder, an die Menschen glauben, sind keine Wunder. Aber die uns innewohnende Intelligenz wundert
sich über den Menschen, der so wenig von ihrer Schöpfung begreifen will, von der Schönheit und
Ganzheit, in die er hineingeboren und deren Teil er ist. Obwohl der Mensch es besser wissen könnte,
zieht er es vor, sich eine Scheinwelt zu schaffen, an Dinge zu glauben, die nur
eine Ausgeburt seines kleinen Gehirns sind, und
die tiefe Wahrheit und Intelligenz, die
Allem innewohnt zu ignorieren. Das
ist das grösste Wunder dieser Welt, dass sie Wesen geschaffen hat, die Wunder sehen, wo keine sind und dabei die
Wunder des Universums übersehen.
Donnerstag, 18. Mai 2023
Die Verwandlung
Heute an Himmelfahrt hat man mich aus dem Krankenhaus
entlassen, ein Anlass, die besondere mythische Bedeutung dieses Tages zu
feiern. Eben noch gebunden an die
ständigen Schmerzen, die Krankheit und die Erdgebundenheit, den Tod vor Augen,
und dann die Verwandlung, Schmerz und
Tod werden durchbrochen, in die dunkle Kammer, in der ständig der Hammer der
Zeit die Stunde kündete, wird das Licht des Lebens hineingelassen. Es ist die
mythische Verwandlung von Endlichem zu Unendlichkeit. Die grossen Alchemisten
der heutigen Zeit scheinen die Ärzte zu sein, sie vertreiben vorübergehend unsere Endlichkeit und
verwandeln uns wieder in Wesen, die die
Schönheit der Welt in sich hineinlassen können, obwohl es noch vor kurzem so
aussah, als ob die Zeit der Welt ihrem Ende zuginge. Natürlich ist uns klar,
dass die Himmelfahrt weniger die physische Heilung ist, sondern die Verwandlung
der Erdgebundenheit, in eine Lösung von der Welt, einer -mythische Himmelfahrt.- So war für mich
diese Himmelfahrt ein ganz besonderes
Fest der mythischen Verwandlung, die Erinnerung an den Himmel, der mir auf meiner
Erdenfahrt so oft verloren ging. Diesmal
habe ich den Himmel in meinem Herzen entdeckt. Wenn es einen Sitz des Himmels
in uns gibt, dann ist es das Herz, unsere Kraftquelle, unserer treuester
Begleiter durch die Welt. Wenn das Herz aufhört zu schlagen, dann wird der
Himmel aus unserem Herzen freigelassen. Wir kehren in unser Vaterhaus
zurück. Wenn ich den Himmel auf Erden finden will, dann brauche ich nur in mein
Herz zu schauen, dort ist mein Zuhause,
dort ist mein Himmel. Nicht im Feuerwagen des Elias fahren wir zum Himmel. Es
sind vielmehr die Ströme des Lebens, die uns zum Herzen führen. Unsere
Himmelfahrt hat schon begonnen, wenn wir mit beiden Füssen noch auf der Erde
stehen. Himmelfahrt findet statt, wenn
wir den Himmel mitten unter uns wahrnehmen können, immer dann wenn wir uns in
unserem Herzen befinden und Himmel und Erde sich vereinen.
Mittwoch, 17. Mai 2023
Hingabe an das Leben
Das Leben in uns weiss immer besser was für uns gut ist,
besser als es unserer Verstand je wissen könnte. Ich habe immer versucht,
mich dem Leben hinzugeben, dem Leben keinen Widerstand entgegen zu setzen. So
haben Krankheit und Tod noch nie einen Schrecken für mich gehabt, ich habe sie
nur als Teil des Lebens gesehen, als Momentaufnahme. Wir werden ganzheitlich
geboren, und in welcher Form sich das Leben und das Schicksal sich auch immer in
uns äussern, es ist immer so, wie wir es gerade für diesen Moment des Lebens
brauchen. Auch Störungen in unserem Lebensfluss sind noch nie für mich Anlass
gewesen, die Weisheit des Lebens in Frage zu stellen. Ich habe mir immer versucht,
auf meine innere Stimme zu hören, das
Leben so anzunehmen wie es auf mich zukommt und dem keinen Widerstand zu leisten, was das
Leben für mich beschlossen hat. So habe ich gerade wieder die Stimme des Lebens
gehört und ich habe genau zugehört. Das Leben hat durch mein Herz zu mir
gesprochen. Schon immer war das Herz für mich eines der grossen Wunder des
Lebens, der Träger meines menschlichen Seins. Und ich weiss, dass eines Tages das Herz aufhören wird zu schlagen und das was
unsere Welt bedeutet, wird nicht mehr Welt sein. Wer sich mit aller Kraft an die Welt
klammert, der hat nicht verstanden, was Leben ist. Er leistet dem Leben
Widerstand, das ganz anderes mit uns vorhat, als uns an die Welt zu ketten. Das
Leben weiss immer besser, was uns gut tut. Aber manchmal bringt es sich in
Erinnerung und spricht mit uns. Und wir
sollten genau zuhören, wenn es uns etwas zu sagen hat. Vielleicht will es uns
auf unser Alter hinweisen und sagen: Habe ich es nicht immer gut mit Dir gemeint,
und habe ich Dir nicht alles gegeben,
was Du Dir je erträumen konntest? Du
hast nicht mehr alle Zeit der Welt, aber sei getrost, ich werde Dich nie
verlassen, auch wenn Du die Grenzen der Welt hinter Dir lässt. - Und ich fühle voller
Dankbarkeit, wie das Herz, dieser wunderbare Teil von mir, unermüdlich schlägt
und mir noch Zeit auf der Welt zuteilt, begrenzte Zeit, und jeder Herzschlag ist Leben, bedeutet noch
einige Schritte durch die Schönheit der Schöpfung, durch dieses wunderbare
Geschenk des Lebens. Nicht der Tod wartet auf uns, wenn unserer Aufenthalt in
der Welt zu Ende geht, sondern das Leben,
das in jedem Moment mit uns war und uns so unendlich viel geschenkt hat. Volle Dankbarkeit blicke ich auf diesen Begleiter
auf meinem Weg und auf mein Herz, das mich noch nie im Stich gelassen hat, blicke
auf mein Leben, das mich immer erfüllt hat und das mein Begleiter,
auch jenseits allen menschlichen Denkens war und ist. So schenkt mir mein Leben
noch einige Schläge meines Herzens und ich gehe weiter,
voller Mut, auf meinem Weg durch die Welt.
Mir fällt eine Ode von Hölderlin ein - was könnte besser
passen:
An die Parzen
Nur einen
Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange
mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
Samstag, 13. Mai 2023
Wo die Sprache versagt
Warum fällt es uns so schwer, über das zu sprechen, was wir
in unserem Herzen bewegen? Mir hat immer gefehlt, dass unsere Mutter sich nicht
über ihre seelischen Befindlichkeiten äussern mochte. Nur an dem was sie las und an ihrem häufigen
Besuch der Kirchen konnten wir erkennen, dass ihre Seele im Austausch mit dem Numinosen stand. Wir trauten
uns nicht, sie danach zu fragen.
Wahrscheinlich hätte sie uns geantwortet, dass die menschlichen Worte nicht
geeignet seien, um die Sprache der Seele wiederzugeben. - Mit der menschlichen Sprache
tasten wir uns nur an die Grenze heran, was wir mit Worten sagen können. Die
Sprache erfasst nur die Welt und die energetischen Erscheinungsformen. Da wo die Welt für unseren Verstand endet, und
wir hinter die Welt der Erscheinungen blicken möchten, da helfen die Wörter
nicht weiter, sie geben uns höchstens Hinweise, besitzen aber nicht die Fähigkeit,
das zu beschreiben, was wir das Leben der Seele nennen. So konnten wir nur ahnen,
was in der Seele unserer Mutter vor sich
ging. Mit ihrem Schweigen hat sie
dennoch gesprochen. Wir haben auf einer
Ebene miteinander kommuniziert, die sich den Worten verschloss. Sie sprach mit ihrem
Schweigen eine viel mächtigere Sprache, als Worte es zu sagen vermochten. Die Sprache der Seele ist das Schweigen, die
Stille, mit der wir uns umgeben, die Innenschau, die wir nicht in Worte zu fassen
vermögen. Die Stille ist für den Menschen der warme Mantel, in den wir uns
hüllen, wenn wir auf den Grund unserer
Seele gehen. In der Stille erfahren wir, was uns als Menschen ausmacht: das Leben in seiner tiefsten Form, das uns
und alles um uns erfüllt. In der Stille erfahren
wir die Liebe zum Leben, und zu den Menschen, die uns nahe stehen, eine Liebe, die
auch nicht schwindet, wenn der Mensch vergeht, mit dem wir in Liebe verbunden sind. So wie die
Liebe der Mutter uns ein ganzes Leben begleitet, so sind wir auch mit denen verbunden, die sich in unserer Liebe
befinden, auch wenn die Anderen es vielleicht nicht wahrnehmen können. Wir
brauchen keine Worte, um die Sprache der Liebe zu sprechen. Wir bringen die Sprache der Liebe unseren Kindern bei, indem wir sie lieben. Liebe ist unvergänglich, sie
ist das Leben. Worte können nicht ausdrücken, was Leben und Liebe sind, aber unsere Seele weiss es, wenn wir lieben. Ich schreibe dies, obwohl
meine Sprache versagt, wenn ich das ausdrücke, was ich sagen möchte, und ich sage es auch, um
uns daran zu erinnern, auf unserem Weg
durch die Welt, nicht die Sprache der Seele zu verlernen.
Sonntag, 7. Mai 2023
Manipulationen
Wenn wir auf die verschiedenen Völker und ihre Regierungen blicken, kann uns nur das
Entsetzen packen, mit welcher Unverfrorenheit die Mächtigen ihre, ihnen
vertrauenden Menschen, manipulieren. Es
gibt die alten Formen der Manipulation, wie in allen faschistischen Staaten, wo
mit brutaler staatlicher Unterdrückung die Menschen in der Unterwerfung
gehalten werden, Gefangene der Mächtigen, in staatlichen Gefängnissen. Es gibt die
verfeinerten Methoden, wie in China, wo mit allen Möglichkeiten der digitalen
Überwachung gearbeitet wird, wo erkennbare Gegner der herrschenden Eliten in
staatlichen Gewahrsam genommen werden. Es gibt die noch versteckteren Systeme der westlichen Welt, in denen angeblich Demokratie herrscht und
Gedankenfreiheit. Dort wird durch die Medien und die angeblich freiheitliche, öffentliche
Meinung manipuliert. Demokratie kann man es wohl nicht nennen, wenn den Menschen nur Parteien zur Wahl vorgesetzt
werden, die wiederum von Cliquen beherrscht werden, die ihre eigenen Parteien manipulieren. Einmal an
der Macht, wollen sie sich nur ungern von ihren lukrativen Posten trennen und
erfinden immer neue Ablenkungsmanöver, um ihre gutgläubigen Wähler davon
abzuhalten, sich näher mit ihrer
Regierung zu befassen. Es werden nicht nur Kriege erfunden, - da wüssten noch die Menschen woran sie wären. Heute
werden stattdessen Nebenkriegsschauplätze geschaffen, wie Klimawandel, Gendern,
Seuchen, Immigration, die Enteignung von
Erfolgreichen und darüber wird vergessen, dass auch die herrschende Clique
nichts anderes im Sinn hat, als auf Kosten der Allgemeinheit sich an den
Futterkörben des Staates zu bedienen. Das Einzige worin sich
die subtilere Manipulation der Demokratien von den brutalen Formen der faschistischen
Staaten unterscheidet, ist die
Unsichtbarkeit der Manipulation für den normalen Bürger. – Die gefährlichste
Manipulation aber findet in unseren eigenen Köpfen statt, es ist die Selbstmanipulation.
Die Mehrheit der Menschen befindet sich im Tiefschlaf, was ihre geistigen
Wahrnehmungsmöglichkeit anbelangt. Es waren gerade die jungen, naiven Menschen
und die Intellektuellen, die begeistert die roten Bibeln schwangen und den
Kommunismus verehrten, unter dessen Fahnen das Paradies auf Erden entstehen sollte, aber mehr
als hundert Millionen von Menschen ermordet wurden. Heute sind es die gleichen
Manipulatoren, im Westen wie im Osten, die gerade die Jugend und die angeblich
aufgeklärten Linken verführen. Die halbe Welt scheint am liebsten im Wahn zu
leben, Jugendliche kleben sich an
Strassen fest, reden vom Weltuntergang, lauschen verzückt den Geschichten von
Kindern, und merken nicht, dass sie von
den eigentlich Mächtigen wieder einmal manipuliert werden. Die unkritische
Selbstmanipulation führt den Menschen wieder in die Irre. Es herrschen Irrsinn
und Wahnsinn, wie zu allen Zeiten. Der Mensch irrt buchstäblich im Wahn durch die Welt,
schliesst sich der Weltrettung an, und
glaubt wieder einmal an die irren Gedanken von grünen Bibeln, die diesmal nicht
das Paradies, sondern den Untergang der Welt voraussagen. - Die Welt wird sich
nicht durch die verrückten Ideen der Spezies
Mensch ändern, sie zieht ungerührt ihre Bahn durch den Kosmos. Auch die Spezies
Mensch scheint sich nicht zu ändern. Ein Wahnsinn wird durch den nächsten
abgelöst. Der Mensch lebt ohne zu denken,
ist nur manipulierter Zombie, der nicht begreift, was er tut. Der Mensch geht
blind durch eine fiktive Welt, die es nur in seinem Kopf gibt und verpasst dabei
sein eigenes Leben. Denkende Menschen, die sich nicht manipulieren lassen, sind
zu allen Zeiten seltene Exemplare gewesen. Die Masse Mensch geht wie eh und je
ihren Beschäftigungen nach, glaubt das, was die Medien berichten, denkt nicht einen Moment darüber nach, ob das
was sie hört und sieht auch so ist, wie es scheint. So braucht es keiner
grossen Manipulation von aussen, um die Massen zu manipulieren, es ist die Selbstmanipulation des Einzelnen, die es den
Machthabern so leicht macht, ihre Macht
zu erhalten. Heute sind es die grünen Bibeln von Kindern und Weltverbesserer,
die uns manipulieren sollen ,gestern waren es die roten. Weder rote, noch grüne
Bibeln haben jemals die Welt verbessert. Das einzige, was die Welt verbessern
könnte, wäre das Erwachen des Menschen aus seiner Unmündigkeit und aus seiner
Selbstmanipulation.
Samstag, 6. Mai 2023
Leben und Alter
Die Meisten von uns verstehen unter Leben, die Geschichte ihres Lebens. Es ist die
Geschichte des Menschen auf seinem Weg durch die Welt. Wenn die Geschichte zu
Ende ist, dann werden sie ins Altersheim abgeschoben und es bleibt ihnen nur
die Erinnerung an Vergangenes, eine
Geschichte, die sich in ihrem Kopf ständig wiederholt. Wir nennen sie dann alt
und verkalkt. - Selbst die alten Religionen sind nicht mehr in der Lage, ihnen
Hoffnung auf eine Zukunft nach dem Tod zu machen .- Goethe hat für seinen Faust 60 Jahre
gebraucht, um ihn zu vollenden. Im Faust I wird die Geschichte des Menschen
hinaus in die Welt geschildert. Faust verliert sich an die Versuchungen der
Welt. Die Welt in der Figur des Satans dargestellt. - Und
dann Faust II, der von vielen nicht richtig verstanden wird: Die Rettung des Menschen von der Welt, das
Erwachen zum Leben. Faust wird gerettet, weil er sich dem wirklichen Leben
öffnet, dem Leben hinter dem Leben. Leben wird zum Göttlichen, das in Allem ist.
Die Welt der Sinne tritt zurück, es öffnet sich der Himmel, und Faust erkennt,
dass der Himmel sein wahres Leben ist,
er kehrt in sein wahres Ich zurück. - Wer
nicht dieses faustische Erwachen in sich selbst erleben kann, bleibt in der Illusion von Welt, wird im Alter starr und dement, ohne
Verständnis für das was sein Leben war. Demenz ist dann eine von ihm selbst
verursachte Folge, er hat seinen Verstand verloren. - Dem nicht erwachten Menschen
bleibt nur die Geschichte seines vergangenen Lebens, die Vergangenheit, die in
ständiger Wiederholung in seinem Kopf kreist.
Dabei wäre gerade das Alter der Moment, in dem der trügerische Schein
der Welt von ihm abfällt und er sich dem
eigentlichen Leben öffnen könnte. Auf seinem
Weg durch die Welt hatte er sein Leben vergessen, aber ohne dass
er es merkte, war sein Leben immer sein Begleiter. - Wenn wir Faust II
begriffen haben, dann wird uns bewusst, was Leben ist: das Göttliche in Allem
was uns umgibt, in den Menschen, in der Natur, im gesamten Kosmos, und am Wichtigsten, auch in uns selbst. Immer
wieder in der Geschichte der Menschheit treten die Mahner in unser Leben und
weisen uns den Weg. Goethe war einer von ihnen. Aber wer kennt schon Faust
II? Unser Leben ist daher nicht nur ein
Teil der Geschichte der Welt, unser Leben wartet in uns auf unser Erwachen, auf
die Wende in unserem Leben, auf den
Moment, in dem wir zum Leben in uns zurück finden. Welcher Zeitpunkt wäre dazu geeigneter als unser
Alter, wenn der Ballast der Welt von uns langsam abgefallen ist?
Dienstag, 2. Mai 2023
Putin und der Wahnsinn
Wieder herrscht Krieg in Europa und in vielen Teilen der
Welt. Wie zu allen Zeiten reiten die
apokalyptischen Reiter durch die Welt. Sie heissen Seuchen, Hunger,
Völkerwanderung, Klimawandel, Wahnsinn, Krieg und Tod. Wie immer scheint der
Untergang der Menschheit nahe. Was uns
so denken lässt ist nicht der Wahnsinn in den Köpfen der Herrschenden, sondern
der Wahnsinn im Grossteil der Menschheit. Die meisten Menschen leben im Wahn,
dass was ihre Sinne ihnen zeigten, das wäre die Welt. Die Sinne zeigen uns aber
nur kleine Teile der Welt, die Welt wie sie wirklich ist, bleibt uns weitgehend
verborgen. Die Wissenschaft hat es weit gebracht in kurzer Zeit, kratzt aber nur an der Tür zur Schöpfung. Wenn
die Sinne glauben, die Welt wäre das, was sie wahrnehmen können, dann bezeichnet die Sprache das als Wahn. Die Welt
unserer Sinne und unserer Wahn von Welt sind der Wahnsinn der menschlichen
Wahrnehmung. So ist die Frage durchaus berechtigt, ob Putin wahnsinnig sei –
er ist genauso wahnsinnig, wie
derjenige, der die Frage stellt. Solange wir unser Leben als Wahrnehmung
unserer materiellen Existenz begreifen, sind wir im Wahn der Sinne befangen.
Wir erkennen nicht, dass Leben in Allem ist, was existiert. Leben ist nicht nur
im Menschen, in der Natur, in allen Materialien, in unserem Planeten, Leben ist
auch in Atomen und Molekülen und und in
der Energie, die diese bewegt. Alle
Welten unterliegen den gleichen Gesetzen. Wenn der Mensch die Gesetze, die ihn
ausmachen nicht mehr erkennen kann, hilft ihm ein Blick in andere Welten. - In
der Welt der Energie herrscht Ordnung und Chaos. Beides scheint sich unabhängig
voneinander zu bewegen. Das kreative dieses Prinzips scheint darin zu liegen,
dass sie scheinbar unabhängig voneinander sind und doch wieder ins
Gleichgewicht zurückfinden. In der Welt des Menschen gelten die gleichen Gesetze.
Auf die Zeit der Unordnung und des Chaos wird wieder die Zeit des
Gleichgewichts der Kräfte folgen. Es sind diese Kräfte, die die Schöpfung
bewegen und weiterentwickeln. Die gleichen Kräfte bestimmen auch das Leben des
Menschen. Auf Störung und Chaos folgt Gleichgewicht und
Frieden. Unser Verstand nennt das eine gut, das andere schlecht. Beides bedingt
sich und findet immer wieder zurück in das Gleichgewicht. Der Weg des Menschen
ist so auch ein Weg in den Wahnsinn der Welt und zurück in die Einheit mit dem
Leben. Wir nennen das Schicksal, dem wir nicht entrinnen können. Selbst im grössten Chaos der Welt, im Krieg und den
Gefangenenlagern, die von den Mächtigen errichtet werden, können wir das Leben
sehen lernen, das in Allem ist. Das
Leben, das alles erfüllt, vor allem auch uns selbst, das uns keiner nehmen
kann, auch nicht der Tod und die Vernichtung. Wenn das Licht dieser Erkenntnis
uns trifft, fällt der Wahnsinn der Sinne von uns ab und wir sehen uns und die
Welt als das, was sie wirklich sind, als Teil der göttlichen Schöpfung, die
sich in diesem Moment uns offenbart. Wahnsinn und Chaos sind Teil des
Schöpfungsprozesses, und immer finden die ausgelösten Kräfte ihren Ausgleich
und ihren Frieden. So ist der Wahnsinn der Welt auch gleichzeitig der Frieden
der Schöpfung.
Erinnerungen 5 - Gedanken zu Erinnerungen
Während ich über Erinnerungen schreibe, muss ich mich immer daran erinnern, dass jede Erinnerung flüchtige Energie im Raum der Gegenwart ist. Energie, die ständig ihre Form ändert, aus der Ewigkeit des Raums aufscheint und im nächsten Moment eine andere Form annimmt und zu einer geänderten Erinnerung wird. So entstehen Bilder aus der Gegenwart des Momentes, die möglicherweise nichts mit den tatsächlichen Begebenheiten zu tun haben. Geschichte ist von allen fragwürdigen Wissenschaften, die Allerfragwürdigste. Der Historiker beschäftigt sich mit längst vergangenen Erscheinungsformen von Welt, die lange vorher in der Vergangenheit entstanden und vergangen sind. Meine Erinnerungen und alle Erinnerungen, die es in der Welt gibt, sind ein energetischer Gedanke, der nur in dem Moment existiert, in dem er entsteht. Das gilt nicht nur für das, was ich in diesem Moment niederschreibe, sondern für alles, was in den Bibliotheken dieser Welt verwahrt oder Teil des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit ist. Alles entsteht und vergeht bereits im Moment seiner Erscheinung. Das gilt nicht nur für Worte und Gedanken, es gilt auch für alle anderen Erinnerungen und Formen, für die flüchtigsten und die festesten Erscheinungsformen, im nächsten Moment hat sich das Gegenständliche der Form bereits verändert, der Gedanke, wie auch das Haus, das wir scheinbar so fest errichtet haben – im nächsten Moment ist es bereits dem Zerfall übereignet und in 100 Jahren wird es verschwunden sein. Wenn ich über Vergangenes schreibe, dann weiss ich, dass alles was ich schreibe längst verändert ist, und jede Überlieferung immer in neuer Erscheinungsform verkleidet wird. Erinnerungen sind nicht mehr als die Bilder eines Romans, die im Leser entstehen und wieder verschwinden, wenn ich die nächste Seite umblättere. Daran erinnere ich mich, während ich dies schreibe, nichts überlebt den Moment ohne Veränderung, selbst das Wort auf dem Papier verblasst mit seiner Niederschrift. Und doch lohnt es sich das Vergehen jedes Gedankens und jeden Gegenstandes zu erleben, denn im Vergehen scheint der Raum auf, aus dem Alles entsteht, der Raum des Ewigen, der Raum von Stille und Leere. - Und ich erinnere mich auch daran, dass ich selbst im gleichen Prozess des Vergehens bin, und mit jedem Moment meines Lebens der Moment näher kommt, in dem mein existenzielles Sein beendet sein wird, und ich zurückkehre, dorthin woher ich gekommen bin. Die Welt will nichts von diesen Vorgängen wissen, der kleine menschliche Verstand wehrt sich mit allen Kräften gegen seinen Untergang. Der Verstand erkennt nicht das Wunderbare, das Heilige im ewigen Veränderungsprozess, die Tiefe die hinter dem Existenziellen liegt, die göttliche Gelassenheit und Ruhe in der alles stattfindet. Tod und Vergängliches sind nur Wandlung, und in der Wandlung erkennen wir das Göttliche, das wir selber sind. Daran erinnere ich mich, wenn ich dies niederschreibe.
Erinnerungen 4 - Die Geschwister
Es steht mir nicht zu, über lebende Personen zu schreiben.
Daher beschränke ich diese Erinnerungen auf meine und die Generation vor
uns. Ich hatte das Glück, als Ältester
von 3 Geschwistern, mit zwei besonderen Menschen aufzuwachsen. Wichtig war,
dass uns kein grosser Altersunterschied trennte, meine Mutter war schon 37 als
ich als Erster zur Welt kam und sie war 40
als Andreas 1943 geboren wurde. Was heute eher normal erscheint, war
damals schon eine späte Geburt.
Mein Bruder Arnim war schon früh den Geisteswissenschaften zugewandt.
Als wir in Mailand lebten gingen wir zusammen über einen antiquarischen
Büchermarkt. Er sah ein Buch das ihn interessierte, bat mich, ihm 100 Lire zu
leihen, um es zu kaufen. Er war 10 Jahre
alt – es war eine koptische Grammatik.
Er wolle sie in den Schulferien lernen sagte er – und er tat es. Er war nie gross an Äusserlichkeiten
interessiert. Zu seiner Antrittsvorlesung als Professor in Konstanz lieh er
sich eine Anzugsjacke von mir, er besass keine eigene. Seit früher Jugend lebte
schon sein Geist in anderen Welten und sein Studium dauerte länger als gewöhnlich.
Er überraschte uns alle, als ich ihn eines Morgens anrief, ihn in einer Bibliothek
in Münster erreichte, und er mir mitteilte er hätte geheiratet. Wir freuten uns
für ihn, waren aber etwas traurig, wir hätten die Hochzeit gerne mit ihm
gefeiert. Arnim wurde zum führenden Linguisten seiner Zeit. Er erhielt den Lehrstuhl
für Linguistik der Universität Tübingen.
Seine schriftlichen Werke wurden wegweisend weit über Deutschland hinaus. Er
schrieb entscheidende Lehrbücher, über Semantik, zur generativen Grammatik und
Syntax, zu den Bausteinen syntaktischen Wissens. Seine Kollegen bestätigten mir,
dass er zu den bedeutendsten Wissenschaftlern seines Bereichs gehörte. Von uns
drei Brüdern, war er der gebildetste, sprach 16 Sprachen, war tief in die
Philosophie und Mathematik eingestiegen – wir Brüder waren immer stolz auf ihn.
Er fühlte sich nicht nur in Bibliotheken
und Seminaren wohl, sehr gerne fuhr er mit seiner Familie ins
Tessin in sein Rustico, das man nur mit einem beschwerlichen Fussmarsch
erreichen konnte. Wir haben dort schöne Tage miteinander verbracht. Heute hat
ein Gehirnschlag diesen grossen Geist zum Schweigen gebracht. Er verbringt seine Tage mit seiner Frau Franzis, die seit seiner Zeit
in Münster, immer an seiner Seite gewesen ist. Wenn ich meinen Bruder heute treffe, fühle ich die
gegenseitige tiefe Verbundenheit zwischen uns, ich bin immer sein grosser
Bruder geblieben.
Mein Bruder Andreas kam als Jüngster am Ende des Krieges zur
Welt. Er litt vor allem unter dem Nahrungsmangel der Nachkriegszeit. Er
brauchte besonders seine Mutter und vertrug es nicht von zuhause getrennt zu
sein. Er ging auch mit meinen Eltern
nach Kopenhagen, als wir anderen Brüder auf ein Internat kamen, um uns auf das
Abitur vorzubereiten. Zu meinem Vater hatte er ein besonderes Verhältnis, er
war ihm am ähnlichsten. Andreas schlug
dann auch den gleichen Berufsweg des Vaters ein. Andreas war dreimal
verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammt sein Sohn Konstantin. Seine zweite Frau, eine französische Physikerin,
starb früh und ich erinnere mich, wie ich
bei ihrem Begräbnis in den französischen Alpen, ihren kleinen Sohn Adrian in den
Armen hielt und wir den Psalm hörten, der von der Hilfe spricht, die von den Bergen
kommt. Andreas fand in Junko, einer japanischen Sängerin, noch einmal eine späte Liebe. Junko wurde für Adrian eine
wunderbare Mutter. Die neue Familie war noch gemeinsam auf den letzten Botschafterposten
in Thailand und der Schweiz. Andreas starb viel zu früh an einem zu spät
entdeckten Darmleiden. Auch hierin hatte er das gleiche Schicksal unseres
Vaters, der früh an seinem Lungenleiden starb. Bis zuletzt hatte ich ein tiefes
Vertrauensverhältnis zu Andreas. Er war unser jüngster Bruder und stand mir
immer besonders nah. Er liegt in Stechow
in unserem Familienbegräbnis. Auf dem Grabstein steht auch der Name von Junko, sie möchte mit ihm gemeinsam begraben werden.
Die Mutter 2
Die Nachkriegszeit ist schon Teil meiner bewussten
Erinnerungen. Die davorliegende Zeit
kenne ich nur aus den Erzählungen der Eltern. Die Eltern trafen sich, auf
getrennten Wegen, 1945 wieder in Reinbek
bei Hamburg, der westlichen Besatzungszone. Sie wurden dort in einer Flüchtlingswohnung
untergebracht. Meiner Mutter gelang es bald wieder als Journalisten zu arbeiten,
beim Hamburger Abendblatt. Zwei Kindermädchen machten das möglich. Unser Vater arbeitete bis 1950 bei der Deutschen
Presseagentur. Die Nachkriegsjahre waren die schwierigsten Jahre, weil die
Lebensmittelkarten nicht reichten und nicht ausreichend Nahrung zur Verfügung stand.
Immerhin gelang es, vor allem meiner Mutter, so viel Nahrung zu beschaffen,
dass wir nicht verhungerten. Ein kleiner Gemüsegarten, den sie angepachtet
hatten, half dabei sehr. Ihre beiden, in
der Ostzone, zurückgelassenen Kinder, meinen Bruder Arnim und mich, holte sie
einzeln, unter Lebensgefahr, schwarz über die Zonengrenze, auch in den Westen.
- Erst 1950 änderte sich unser Leben, mit der Berufung des Vaters als Konsul nach
Mailand. Es war wahrscheinlich ein neuer Lebensabschnitt für unsere Mutter, jetzt
nur noch als Ehefrau für die Familie da zu sein. Die Zeit in Mailand brachten
Ruhe in unser Leben, die Schrecken des Krieges und der Mangel der
Nachkriegszeit fielen von uns ab. Auch in unserer Mutter konnte man den neuen Frieden merken, sie war zum ersten Mal
nicht mehr für das Überleben der Familie verantwortlich, sondern konnte sich
ganz der Familie widmen. Sie vermisste noch ihren Beruf, aber die Hinwendung zu ihrer Familie tat
nicht nur ihr gut, sondern uns allen. Ihr Leben war in ruhiges Fahrwasser geraten,
das bis zum Tod ihres Mannes nach der
Pensionierung andauerte. Ab 1950 hatte sie sich entschlossen ihr Leben ganz der
Familie zu widmen, auch wenn ihr immer eine leichte Trauer in den Gedanken an ihre Berufszeit anhaftete.
Sie kümmerte sich um uns alle, um die Familien ihrer Kinder, die
Enkelkinder. Den zunehmenden Verlust
ihrer Hörfähigkeit nahm sie gelassen hin. Sie hörte nur noch, was sie hören
wollte. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie noch mehr als 10 Jahre allein, sehr
belesen, sehr interessiert an den Dingen der Welt, aber auch immer mehr der transzenten
Seite unseres Menschseins zugewandt. Sie konnte auf ein reiches und erfülltes
Leben zurückblicken. Ich hatte das Privileg
die letzten Tage in Teneriffa mit ihr und meiner Familie zusammen zu sein. Als
wir merkten, dass eine Magenverstimmung
sie immer mehr schwächte, brachte ich sie in das Krankenhaus nach Sta
Cruz. Ich sehe sie noch heute, wie sie am Tropf in ihrem Bett mich bei unserem Abschied ansah. Sie wusste, dass
sie sterben würde, ich wusste es nicht. Sie starb noch in der gleichen Nacht an
Herzversagen. Ich habe ihren letzten Blick nie vergessen.
Erinnerungen 3 - Die Mutter 1
Unsere Mutter wurde 1903 in Tysmenicza bei Ivano Frankivsk in Galizien als Österreicherin geboren und auf den Namen Olga Maria getauft. Galizien war die östliche Provinz von Österreich, in dem sich die Kulturen der Völker aus Polen, Ukrainern, Juden und Armeniern und Deutschen gegenseitig befruchteten. Ihre Eltern waren eine Lehrerfamilie, und sie wuchs mit dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben als Frau zu führen. Ihre Mutter, meine Grossmutter, starb schon in jungen Jahren an Tuberkulose. Der Vater heiratete neu , und die neue Frau war eine gute Ersatzmutter. Es gab noch einen Bruder Wlodko aus der 1. Ehe und eine Stiefschwester Slawca. Beide emigrierten in die USA. Als 1918 die Polen Galizien annektierten stand für ihre Familie fest, dass sie nach Deutschland gehen sollte, um dort zu studieren. 1921 kam sie nach Berlin und studierte Volkswirtschaft. Dort lernte sie unseren Vater kennen, der sie fast das ganze Studium in jeder Hinsicht unterstützte. Sie musste sich ihr Studium selber verdienen, das Lehrergehalt ihrer Eltern reichte dazu nicht aus. In ihrem Tagebuch steht, sie kam nur mit einem Koffer nach Berlin und einem Goldstück, das ihr Vater ihr mitgab. Sie kam aber voller Mut und Zuversicht, und dieser Mut verliess sie ihr ganzes Leben nicht. Nach dem Studium ging sie als Journalistin in den Moshe Verlag, später Ullstein, in Berlin. Sie arbeitete für die Zeitschrift «Die Dame», die grösste europäische Frauenzeitschrift ihrer Zeit. Das Verzeichnis der Mitarbeiter liest sich wie eine Liste der Geistesgrössen der zwanziger Jahre. Auf alten Fotos trägt sie einen Pagenkopf, sie war zu einem Kind ihrer Zeit und der Berliner Welt geworden. Zu ihren intellektuellen Freunden gehörte Rowohlt, Walther Kiaulehn, Albert Schäfer- Ast, mit ihnen traf sie sich zum wöchentlichen Stammtisch bei Witwe Bolte. Sie war eine der ersten Frauen, die ein eigenes Auto hatten, den berühmte Opel 4 PS Laubfrosch. Es waren die ereignisreichsten Jahre ihres Lebens. Mit unserem Vater war sie die ganzen Jahre befreundet, sie wollte aber lange ihre Unabhängigkeit erhalten. Erst mit der Machtergreifung 1933 beschlossen beide zu heiraten, um den Benachteiligungen von Ausländern zu entgehen. Als Angehöriger des Auswärtigen Amtes brauchte unser Vater die Genehmigung, eine Frau mit polnischer Staatsangehörigkeit zu heiraten. Die Genehmigung wurde verweigert, die Rassenpolitik hatte ihren Einzug in Deutschland gehalten. Unser Vater wurde umgehend nach Australien versetzt, wo er vier Jahre blieb, damit er sich die Gedanken an Heirat aus dem Kopf schlagen sollte. Besuche waren praktisch nicht möglich, da nur der kostspielige Seeweg zur Verfügung stand, der 2 Wochen dauerte. Nach seiner Rückkehr war mein Vater mehr denn je zur Ehe entschlossen. 1938 heirateten die Beiden. Das war ein klarer Verstoss gegen das Heiratsverbot des AA und der Einbruch in die Karriere des Vaters. - Wenn unser Vater schon ein entschlossener Mensch war, dann unsere Mutter nicht minder. Sie liessen sich von den neuen Machthabern nichts vorschreiben. - Auf der Hochzeitsreise nach Sizilien im Zug stritten die beiden wie ein altes Ehepaar. Als der Zug vor einem Signal stehenblieb stieg unsere Mutter kurz entschlossen aus und lief auf den Gleisen zurück, sie wollte die Reise nicht fortsetzen. Ihr Mann lief hinterher und versuchte sie zur Vernunft zu bringen. Es gelang ihm schliesslich und nur knapp erreichten sie wieder den Zug, der sich kurze Zeit später wieder in Bewegung setzte. Beide hatten eine starken Charakter. - 1940 kam ich als erstes Kind zur Welt. Deutschland befand sich bereits im Krieg mit Halbeuropa. In den von Hitler an Stalin abgetretenen Ostgebieten haten sich die Russen festgesetzt. 1940 wurden auch die Eltern unserer Mutter nachts vom KGB abgeholt und erschossen, sie gehörten zur Intelligenz und waren daher Gegner des Kommunismus. 1941 kam mein Bruder Arnim und 1943 mein Bruder Andreas zur Welt. Die Frauen mussten ihr Leben auf Kriegswirtschaft umstellen. Unsere Mutter arbeitete im Verlag weiter, jetzt aber für die Propagandazeitschrift «Signal» für die besetzten Ostgebiete. Für uns Kinder hatte sie 2 Hilfen aus ihrer ukrainischen Heimat anstellen können, die damit dem Zwangsarbeitsdienst entkommen konnten. Erst 1943 gingen wir aus Berlin fort nach Ranis in Thüringen zu ihren Schwiegereltern, wo unser Bruder Andreas zur Welt kam. 1945 bei Kriegsende waren wir auf der Burg Ranis, und bei Übergabe von Thüringen an die Russen musste unsere Mutter mit dem jüngsten Bruder fliehen, ihre Tätigkeit beim Signal hätte sie sofort zum Tode verurteilt.